Dienstag, 30. März 2010

Minikatastrophe und Megahysterie

Letzten Mittwoch gab es in Quickborn einen Stromausfall. Vor Lidl und Aldi standen die Kunden und kamen nicht rein. Die elektrischen Türen blieben einfach zu. Und ich kam zuhause nicht an meine Mails.
Nach zwei Stunden war der Spuk vorbei. Alles ging wieder seinen gewohnten Gang. Nur mein Laptop kam nicht mehr ins Internet. Ich beschloss, gelassen zu bleiben. Gatte oder Söhnchen würden es schon richten.

Nun, sie bemühten sich redlich, aber Laptop und WLAN kamen weiter nicht zusammen. Einmal am Tag durfte ich meine Mails auf einem anderen Familienlaptop checken. Das war besser als nix, aber am Sonntag war ich kurz vor einem hysterischen Ausbruch. "Ich muss doch erreichbar sein", jaulte ich vor mich hin.
"Komm mal mit auf den Friedhof", sagte der Gatte leicht genervt. Ich hatte wohl doch nicht nur vor mich hin gejault, sondern ihm auch die Ohren voll. "Ich zeige dir dort mal all' die Unentbehrlichen", fuhr der Mann ungerührt fort.
Er und Söhnchen beklagten meine Internetsucht und analysierten sie psychologisch. In immer kürzeren Abständen jaulte ich weiter.

Gestern Abend hatte Söhnchen die rettende Idee. Er stöpselte meinen Laptop direkt mit einem Kabel an den Router. Jetzt läuft wieder alles wie geschmiert und ich bin gelassen und relaxed wie gewohnt.

Aber wieso brauche ich etwas unbedingt, was ich die ersten 39 Jahre meines Lebens gar nicht vermisst habe? Ich habe 1982 mein Abi gemacht. Wir haben damals alles per Hand geschrieben. Für ein Referat gingen wir in die Stadtbücherei und wälzten den Großen Brockhaus. Ich schrieb Briefe und freute mich, eine Woche später die Antwort zu lesen.
Damals bin ich nur ein einziges Mal hysterisch geworden: Als ich durch meine erste Fahrprüfung gerasselt bin. Das war ja auch ein Grund auszuflippen - ein paar Tage ohne Internet sind eher keiner.

Mittwoch, 24. März 2010

Gestern war ich endlich wieder auf dem Kiez!

Räumlich ist das auch keine große Entfernung - 35 Minuten Bahnfahrt und ich bin mitten auf der Reeperbahn. Aber natürlich liegen ansonsten Welten zwischen meiner beschaulichen Kleinstadt und St. Pauli. Es macht Spaß, ab und zu mal ganz woanders zu sein!
"Ganz woanders" war gestern für mich das St. Pauli-Theater. Gespielt wurde "Ritze", ein Musiktheaterstück von Franz Wittenbrink, das in dem legendären Reeperbahnlokal "Die Ritze" seine Geschichte entfaltet. Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut unterhalten gefühlt! Faszinierend ist, dass das ganze Stück fast nur gesungen wird. Alte und neue Hits verschiedener Stilepochen sind passend umgetextet oder im Original genial in die Handlung eingefügt.
Was da auf der Bühne passiert ist intelligent, witzig und unter der Oberfläche anrührend.
Die Schauspieler sind alle so gut - auch gesanglich gut drauf - dass es einfach ein Genuss ist.

Zwei Stunden vor Aufführungsbeginn habe ich mit einem von ihnen noch beim Kaffee über Gott und die Welt geschnackt. Torsten Hammann ist überzeugter Christ und wir sind als "Glaubensgeschwister" herzlich verbunden. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, wo fromme Menschen der Meinung waren, ein Christ könne auf keinen Fall Schauspieler sein. Torsten macht das nämlich richtig gut. Es wäre tragisch, wenn er diese Begabung nicht zu seinem Beruf machen könnte.
Nun spielt er da auf dem Kiez derzeit in einem eher unfrommen Stück- einen knallharten Boxer. In der Rolle nimmt er Worte in den Mund, die er als Torsten nicht aussprechen würde.
Damit haben manche Christen doch noch Probleme. Was ich schade finde. Denn bei aller Frivolität der Figuren in "Ritze" wird im Stück deutlich, dass der Macho, die Bardame, der Säufer oder selbst der Mörder sich im Grunde nur nach Liebe und Annahme sehnen.
Um zu einem Spiegel für andere Menschen zu werden, müssen eben auch christliche Schauspieler die ganze Bandbreite des Menschseins darstellen.
In diesen Zusammenhang passt die schon fast zum Allgemeinplatz gewordene Frage unter Frommen mal wieder hin:
Warum erwartet eigentlich Keiner von einem christlichen Bäcker, dass er Brötchen in Kreuzform backt?

Mittwoch, 17. März 2010

Begriffserklärung

Einer meiner fünf treuen Leser vermeldete heute per Mail, dass er das Wort "Eichhörnchenkurve" aus dem letzten Post nicht kenne.
20% Unwissenheit ist natürlich ne Menge - und rechtfertigt eine öffentliche Erklärung.
Also -
der Begriff geht zurück auf einen uralten frommen Witz. Und der geht so:

Die Tante im Kindergottesdienst stellt den Jüngsten dort eine einfache Frage. Damit sie auch Erfolgserlebnisse haben.
Sie fragt: "Was ist rotbraun, sammelt Nüsse und hüpft durch die Bäume?"
Wie aus der Pistole geschossen rufen die Kleinen fröhlich: "Jesus!"
Die Tante versteht die Welt nicht mehr. "Wie kommt ihr denn da drauf?", stöhnt sie entnervt.
"Na ja", antwortet ein Fünfjähriger, "hier in der Kirche ist die Antwort auf alles doch immer Jesus!"

Eine "Eichhörnchenkurve" ist somit die Kunst aus jedem Alltagserlebnis die Kurve zu einer frommen Botschaft zu kriegen.
Alles klar, Hans D.?

Montag, 15. März 2010

Eigentlich mag ich keine Möwen

Ganz besonders mag ich die Nordseemöwen nicht. Die sind noch größer als die nervigen Tauben, dabei aber fix, wendig - und gefährlich.
Allein dieser spitze, aggressiv-orange Schnabel! Da können die richtig fies mit attackieren.
Diese Viecher verderben den Genuss einer lecker gefüllten Eiswaffel am Strand. Die stehen auf die Waffel - fast mehr als auf Muscheln. Mich haben sie schon mehrmals angegriffen und mir das Hörnchen im Flug aus der Hand geklaut. Und spätestens, seit mir eines dieser Flugmonster auf die Schulter geschissen hat, sind wir Feinde, die Möwen und ich. Einerseits.
Andererseits liebe ich "Die Möwe Jonathan" von Richard Bach. In Kombination mit der Musik von Neil Diamond ist das eine unwiderstehlich-wunderbare Geschichte. Ein poetisches Gleichnis für Menschen, die sich was trauen, die mehr wollen, als einfach nur zu überleben.
Je nach Stimmung liebe ich sogar die realen Möwen. Ganz besonders die großen, aggressiven von der Nordsee.
Morgens im Halbschlaf auf Norderney ist so eine Stimmung. Das Schlafzimmerfenster zur Seeseite steht auf Kipp. Ich höre die Brandung am Strand - viel lauter als Fluglärm, aber unglaublich schön.Die Schreie der Möwen vermischen sich mit dem Auf und Ab der Wellen zu einem wunderbaren Sound.
Das ist eine Melodie, die mich einlädt, weiter zu träumen - und immer sind das schöne Träume.
Eigentlich mag ich Möwen doch.

Fromme "Eichhörnchenkurven" mag ich überhaupt nicht. Und trotzdem frage ich mich, ob die Möwen mir helfen könnten im Umgang mit Menschen. Im Umgang mit jenen, die mir quer unter der Nase hängen, weil ich sie nervig, aggressiv oder irgendwas mir Wichtiges beschmutzend finde.
Für irgendwen sind sie auch eine "Möwe Jonathan" oder Teil einer Symphonie zum Träumen. Vielleicht muss ich mich einfach mal auf die positiven Stimmen einlassen?

Montag, 8. März 2010

Vom Segen, nicht perfekt zu sein

Also - auf den ersten Blick bin ich schon eine ordentliche Hausfrau.
Besucher finden aufgeräumte Räumlichkeiten vor. Aber es gibt ja viele Schränke und Schubladen, die keinen was angehen. In einigen davon herrschen chaotische Zustände.
Heute packte mich die Aufräumwut. Ich habe im Büro eine große Kiste, in die ich alles rein schmeiße, was ich aufheben will und was trotzdem nicht rumliegen soll.
Die wollte ich ausmisten.
Einiges habe ich wirklich weggeschmissen. Aber ich fand auch:
- Eine gebastelte Karte meiner Mama für mich zum 40. Geburtstag. Als sie den wunderbaren Text hinein schrieb, hatte sie gerade ihre erste große Depression hinter sich gebracht. Das gibt mir Mut! Die Genesung kann wieder geschehen!
- Acht Kassetten mit Predigten meines Papas. Er ist im Oktober 2009 gestorben. Oder sagen wir "heimgegangen". Nun kann ich ihn beim Bügeln oder so wieder ganz nahe bei mir haben.
- Eine acht Jahre alte Postkarte vom Gatten. Er schrieb "Ich bin stolz auf dich."
- Einen zehn Jahre alten, selbstgestalteten Kalender meiner Kinder zum Muttertag. Die waren richtig kreativ für mich!
- Ein zusammengefalltetes Poster, bald 20 Jahre alt, meines Bayernhauskreises. Es war ein Abschiedsgeschenk und die Freunde haben sich einiges einfallen lassen. Die haben mich damals echt gerne gehabt!

In dieser Kiste habe ich noch viel mehr gefunden - lauter symbolische Kleinigkeiten oder Texte von lieben Freunden.
Gott hat mein Leben echt reich gemacht mit lieben Menschen. Und wenn ich weniger chaotisch wäre, dann hätte mich das heute nicht so positiv umgehauen. Ich werde einfach unkontrolliert weiter sammeln. Mal gucken, was mich dann in zehn oder zwanzig Jahren plötzlich an einem eigentlich ungeliebten Aufräumtag beglückt.

Mittwoch, 3. März 2010

Besser wird's nicht!

Das ist zunächst der augenzwinkernde Titel eines brandneuen Buches. Ist bei Brendow erschienen und der Verlag wirbt folgendermaßen:
"Ein charmanter Angriff auf den weiblichen Optimierungswahn. Lustig, bissig, selbstbewusst - ein unterhaltsames und kluges Lesebuch von und für Frauen, die daran glauben wollen, dass ihr Schöpfer schon wusste, was er tat, als er sie sich ausgedacht hat."
Eine von den lustigen, bissigen und selbstbewussten Autorinnen bin ich. :-)

"Besser wird's nicht!" kann aber auch eine Klage sein. Vielleicht seufzt Jesus das manchmal, wenn er erlebt, dass seine Jünger seit gut 2000 Jahren nichts dazugelernt haben. Damals musste er seinen Jungs die Füße waschen, weil keiner von ihnen darauf gekommen war, diesen praktischen und nötigen Dienst zu übernehmen. Sie diskutierten lieber darüber, wer von ihnen der Größte ist.
Heute ist es in manchen Gemeinden genauso schwierig, Jünger Jesu zu finden, die praktische und nötige Dienste anpacken.
Putzen gehört dazu, Gartenarbeit, Teedienst...
"What would Jesus do" ist ja eine oft bemühte Frage. Ich fürchte, er würde sich eine Schürze umbinden, die Klobürste in die Hand nehmen und loslegen.
Wir wären wohl genauso beschämt wie Petrus und Co beim ersten Abendmahl.

Montag, 1. März 2010

Eine entscheidende Sekunde

Wir Menschen haben wenig bis nichts wirklich im Griff. Manchmal genügt ein einziger Augenblick und unser Leben wird auf den Kopf gestellt.
Das hat Margot Käßmann letzte Woche erlebt. Die Sekunde, die es braucht, um eine rote Ampel zu überfahren, hat einschneidende Veränderungen bewirkt. Ich finde es schade, dass sie sich zum Rücktritt genötigt sah, kann diesen Schritt aber verstehen. Wer hohe moralische Massstäbe öffentlich vertritt, muss sie wohl auch an sich selbst anlegen. So hat Frau Käßmann jedenfalls ihre Glaubwürdigkeit behalten.

Eine andere Frau in einem ganz anderen Teil der Welt kostete eine entscheidende Sekunde letzte Woche das Leben. Es war die Sekunde als ein Orka in Gefangenschaft plötzlich lebte, was er eigentlich ist:
Ein schönes, wildes und für kleine Menschen auch gefährliches Geschöpf. So ein Wal gehört eben in die Weiten der Ozeane und nicht in ein Schwimmbad. Er muss sich dort fühlen wie ein Mensch, der sein Leben lang in ein winziges Gästeklo gesperrt wird.
Die letzten Sekunden ihres Lebens werden für seine Trainerin qualvoll gewesen sein. Ertrinken ist sicher immer qualvoll. Zum Spielball eines so gigantischen Wesens zu werden, eines Wesens, das man zu beherrschen glaubte, ist aber besonders gruselig.

"Eine entscheidende Sekunde" heißt auch mein Beitrag in einem brandneuen Büchlein mit Kurzgeschichten. Der Titel "Kleine Zeitgeschichten" ist im Brunnen-Verlag erschienen. Insgesamt schreiben elf Autoren, deren Texte alle mit "na endlich" anfangen. Das ist eine nette Lektüre für zwischendurch - kann man gut langweilige Sekunden mit aufhellen.