Donnerstag, 31. Mai 2012

Weiße Westen

Vor genau einem Jahr habe ich gepostet, dass es fertig ist: Das "Libretto" für unser Gemeindemusical. Das ist eine komplette Eigenproduktion der FeG Norderstedt. Zu meinem "Drehbuch" wurden klasse Lieder getextet und super komponiert und arrangiert - von lauter begabten Laien, die so was können.
Was auf dem Papier schon ein großes Gemeinschaftsprojekt war, ist nun ein Riesending mit vielen, vielen Mitwirkenden geworden. 12 Schauspieler, 1 Sprecher, mehr als zehn Chorsängerinnen, eine komplette Band werden morgen zur Premiere singen und spielen.
Dazu gibt es ein umwerfendes Bühnenbild und ca 20 selbstgemachte "Weiße Westen".
Gleich ist Generalprobe. Nach einem Jahr sind wir fast am Ziel eines langen Weges angekommen. Es ist immer wieder ein Erlebnis zu sehen, wie sich lange, oft mühevolle Proben am Ende lohnen. Lange übten die Musiker und Sänger für sich alleine, die Schauspieler probten an einzelnen Abenden immer nur einzelne Szenen.
Seit drei Proben erleben wir nun wie sich die ganzen Puzzleteile zu einem großen Bild zusammenfügen. Es macht unglaublich viel Freude zu sehen wie die Vision des Stückes, die ganz am Anfang stand, nun zur Wirklichkeit wird. Alle Darsteller sind in ihren Rollen angekommen und sind auf der Bühne der Tollpatsch, die Zicke oder der Rebell.
Ich bin sehr gespannt, ob die Zuschauer morgen das Stück auf Anhieb verstehen - oder ob das schwierig ist, wenn man es nur einmal ohne jede Vorkenntnisse sieht.
Wir als "Ensemble" leben ja schon in unserem Fantasiedorf "Knuffingen". Mal gucken, ob wir das Publikum mit hinein nehmen können!

Dienstag, 22. Mai 2012

Kulturschocks hin und her

"Du würdest verrückte in Kamerun", sagte Lydie heute mit ihrem strahlenden Lächeln zu mir. Wir hatten uns ausgesprochen, nachdem wir gestern ein bisschen schlechte Stimmung zwischen uns hatten. So was bleibt ja nicht aus, wenn man zusammen wohnt - auch nicht, wenn man sich mag. Immerhin ist Lydie nun schon fast sechs Wochen bei uns.
Bei aller Liebe stoßen wir immer mal wieder an unsere Grenzen beim Thema "Zeit". Neulich erst war die klare Samstagsansage: "Wir starten morgen um 9.30 in die Gemeinde". Wir hatten alle gemütlich um 8.30 in Haus- und Schlafanzügen gefrühstückt. Der Gatte und ich hatten natürlich vorher geduscht. Als wir um 9.30 gestiefelt und gespornt in unserer Diele standen, kam Lydie mit Duschhaube und umgewickelten Badetuch aus ihrem Zimmer. Wir haben dann gesagt, falls sie mit uns mit will, muss sie auf das Duschen verzichten und überhaupt jetzt mal Gas geben...
Seit über einer Woche macht Lydie ein Praktikum im Diakoniecafe "why not?" im Schanzenviertel. Da muss sie um 9.03 die AKN nehmen. Ist ein Fussweg von gemütlich fünf Minuten. Bloß, wenn sie um 9.00 immer noch ihre Cornflakes mümmelt, denke ich: Dat wird knapp!
In der ersten Woche also rannte Lydie immer - angetrieben von mir - auf den allerletzten Drücker zur Bahn. Gestern nun hatte sie beschlossen, es besonders gut zu machen. Und lärmte so früh durchs Haus, dass ich 45 Minuten vor meiner geplanten Aufstehzeit laut schimpfend fast aus dem Bett gefallen wäre.
In ruhigen Minuten bin ich in mich gegangen. Unser deutsches Tempo ist für Lydie nun mal völlig fremd - und "Pünktlichkeit" auch. Ist ja auch fragwürdig, ob geplante Hektik was Kluges und Gesundes ist. Nur - wenn sie hier fünf Jahre überleben will, muss sie sich daran gewöhnen. Und ich muss mich daran gewöhnen, Geduld zu haben mit Jemand, der unseren Takt erstmal auf die Reihe kriegen muss. Auf jeden Fall werde ich nicht dümmer durch unser Gastkind - und auch nicht unsensibler. So Kulturschocks fördern durchaus soziale Intelligenz!  

Freitag, 18. Mai 2012

Wer wird denn gleich in die Luft gehen?

ICH! Heute ist einer der Tage für das HB-Männchen in mir. (An diese Strichfigur aus der Fernsehwerbung des vergangenen Jahrhunderts erinnern sich vielleicht noch andere Fossilien außer mir.)
Die Leidensgeschichte meiner Mutter ist ja noch lange nicht zu Ende. Am 7. Mai kam sie wieder ins Krankenhaus. Die Woche vorher hatte man festgestellt, dass die OP-Wunde nicht zuheilt. Sie hatte einen offenen Fuß, man konnte die Platte sehen, die ihren Knochen zusammenhalten sollte. Für heute stand wieder eine Mini-OP an, die etwas mit der Wundheilung zu tun hat. Sie hatten meine Mutter nüchtern gelassen und ihr sogar die OP-Haube schon aufgesetzt als es hieß: April, April! Wir operieren sie erst am Montag!
Das alles ohne ein Wort der Erklärung. Ich habe nur frühzeitig davon erfahren, weil ich meine Mama per Telefon für die OP gute Nerven wünschen wollte. Tatsächlich liegen ihre Nerven nun am Boden.

Ich weiß, dass es nichts nützt. Aber ich habe am Telefon einen Zwergenaufstand gemacht, so lange genervt, bis ich eine Oberarzt am Ohr hatte. Der hat mir den Sinneswandel des OP-Teams erklärt. Am Montag soll bei meiner Mutter eine Hauttransplantation vorgenommen werden.  Dann will man den Eingriff von heute gleich mitmachen, um ihr eine Narkose zu ersparen. Das macht ja Sinn. Aber abgesehen davon, dass man das auch gestern schon hätte beschließen können: Warum kann man ihr das nicht höflich und freundlich erklären, statt ihr die OP-Haube quasi vom Kopf zu reißen und sie völlig konfus zurück zu lassen?
Ich bin überrascht, wieviel Wut in mir drin sein kann!

An meiner zweiten Front wird die übrigens auch noch angeheizt. Seit Mitte April telefoniere und maile ich mit den Ausländerbehörden in Gosslar und Elmshorn. Es geht nur darum, die Akte von Lydie von A nach B zu schicken, damit wir endlich in Elmshorn im Amt erscheinen können und Lydies Aufenthaltstitel bekommen. Dauernd werde ich vertröstet oder Jemand ist nicht zuständig. Für Lydie ist dieser Titel aber enorm wichtig, weil sie ohne nicht jobben darf.
Ich hoffe, ich kriege nicht noch mehr "Kriegschauplätze". Sonst werde ich irgendwann noch zum "Hulk". :-)  

Freitag, 11. Mai 2012

Die neue JOYCE ist da!


Und deshalb kann ich meinen sehr persönlichen Artikel zum Thema "Dienen" nun auch hier veröffentlichen. Achtung! Ist mehr Text als normal hier, weil: Genau eine Zeitschriftenseite. Also bloß was für Leser mit Geduld. :-)

Die Gabe des Dienens ist mir nicht in die Wiege gelegt worden. Von Natur aus bin ich ein bequemer Genussmensch. Der blieb ich lange, obwohl ich schon als Kind an Gott glaubte, die Bibel für wahr hielt und froh war, dass ich - dank Jesus – einmal im Himmel sein würde.
Alle diese Erkenntnisse haben mich nicht daran gehindert, auf dieser Erde vor allem möglichst viel Spaß haben zu wollen.
Ich war Mitte zwanzig, verheiratet und junge Mutter, als ich erkannt habe, dass christlicher Glaube mehr ist als das Fürwahrhalten biblischer Lehren. Eine persönliche Beziehung zu Jesus entwickelte sich und ich beschäftigte mich intensiv mit dem Thema „Nachfolge“.
Mir wurde klar: Für mich ist zuerst mal das „Dienen“ dran. Ich wollte unbedingt anfangen, gehorsam zu sein. Daran ist auch nichts Schlechtes – es besteht nur die Gefahr, dabei auf Belohnung zu schielen und vor Gott und den Menschen als Musterschüler dastehen zu wollen.
Dieser Gefahr war ich leider erlegen. Bis sich der Wunsch entwickelte, Jesus wirklich nachzufolgen, hatte ich mir meine engen Bekanntschaften danach ausgesucht, was sie mir brachten, ob ich sie interessant fand und ob ich Spaß mit ihnen hatte. Dann fand ich, dass sich da was ändern muss und vergaß, die Zeit abzuwarten, bis Gott mich verändert hatte.
Ich wollte eine Art „Robin Hood“ werden für Leute, die am Rande stehen und (obwohl ich das damals nie eingestanden hätte) mich gut dabei fühlen.
Es gab diese ältere Singlefrau in meiner damaligen Gemeinde. Sie hatte einen Sack voller körperlicher und psychischer Probleme zu tragen. Ich beschloss, ihr zu dienen, indem ich mich um sie kümmerte.
Im Rückblick sehe ich: Es war gut, Zeit mit ihr zu verbringen und ein ehrlich offenes Ohr für sie zu haben. Wir haben auch viel Spaß miteinander gehabt. Gar nicht gut war, dass ich es besonders richtig machen wollte und deshalb meine Grenzen nicht abgesteckt habe. Meine liebe Schwester hatte ein großes Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Oft versank ich in ihren fast erstickenden Umarmungen. Nun bin ich nicht der Umarmungstyp. Das hätte ich von Anfang an klar stellen sollen. Aber wenn man sich in Dienste stürzt ohne einen klaren Auftrag von Gott, dann geht das eben stellenweise daneben. Irgendwann habe ich ihr dann doch gesagt, was ich in unserer Beziehung nicht möchte. Und natürlich habe ich sie damit verletzt, weil das Grenze-Ziehen viel zu spät kam.
Seit damals sind gut 25 Jahre vergangen. Dienen ist- neben Studieren und Feiern – immer noch mein Hauptthema in der Nachfolge. Aber die Motivation hat sich geändert. Die ist nicht mehr, sich besondere „Sternchen“ bei Gott verdienen zu wollen. Heute setze ich mich aus Dankbarkeit ein. Ich bin 49 Jahre alt, seit mehr als 27 Jahren mit einem netten Mann verheiratet, wir haben drei erwachsene Kinder, die uns mögen. Ich muss nicht arbeiten, um unseren Lebensunterhalt mit zu finanzieren, bin gesund und verdiene freiberuflich mein Taschengeld für Klamotten und Schuhe. Wenn ich nicht gerne die Zeit investiere, um für andere da zu sein, wer wohl dann?
Verändert hat sich, dass ich die Dienste nicht krampfhaft selbst aussuche. Ich erlebe Gott als einen gnädigen Chef. Meine regelmäßigen Dienste in meiner Gemeinde sind so vielfältig, dass keine Langeweile aufkommt. Besuchsdienst, Theaterarbeit, alle sechs Wochen Gemeindeklos putzen und ab und an Gottesdienstleitung – wer hat schon so einen abwechselungsreichen Arbeitsplatz?
Meine größte Stärke ist – trotz meines übereifrigen Patzers vor 25 Jahren – das Dienen an einzelnen Menschen. Die wähle ich aber nicht mehr eigenmächtig aus. Sie werden mir in den Weg gestellt, manchmal für nur ein Gespräch und manchmal für Jahre.
Ich erlebe, wie Gott mich in diesen „Dienstbeziehungen“ beschenkt. Aus Menschen, für die ich da bin, werden oft Freunde, die für mich da sind. Das ist nicht selbstverständlich. Diese Entwicklung kann nur geschehen, wenn ich innerlich nicht überheblich bin. Tatsächlich gibt es ja eine Art „dienende Hochmut“. Die sieht ungefähr so aus: Diese Person braucht mich. Sie kriegt ohne mich nichts auf die Reihe! Sie ist die Schwache, ich bin die Starke, sie ist die Kleine, ich bin die Große. Mit so einer Haltung werden die „Bedienten“ ein Mittel zum Zweck der eigenen Wichtigkeit. Abhängigkeiten können entstehen, die ein ganzes Leben nicht enden.
Hier möchte ich immer mehr von Jesus lernen. Er dient uns Menschen, weil er uns liebt. Er möchte Schwache stärken, Kleine groß machen und überhaupt helfen, dass die Menschen reifer und freier werden.   
Heute finde ich es wunderbar, wenn ich Menschen helfen darf, auf die eigenen Füße zu kommen. Dann können aus „Schülern“ Freunde werden, von denen ich  eine Menge lernen kann.

Dank meiner Natur als Genussmensch und meiner ersten schlechten Erfahrung des Übereifers muss ich beim Dienen nicht aufpassen, dass ich nicht ausgenutzt werde. Ich muss eher aufpassen, dass ich nicht nur das gebe, was mir genehm erscheint. Denn das ist nicht der Sinn des Dienens. Der Sinn ist, freiwillig für Andere etwas aufzugeben oder Nachteile in Kauf zu nehmen. An der richtigen Balance aus den richtigen Motiven muss ich immer noch arbeiten. Geistliche Übungen bedeuten eben: Üben.       

Mittwoch, 2. Mai 2012

Feiertag im schönsten Bundesland der Welt

Gestern haben der Gatte und ich einen wunderbaren Ausflug in die Elbmarsch gemacht. Nur 20 Autominuten von uns entfernt beginnt eine herrliche Flußlandschaft: Deiche, Reetdachhäuser, Kanäle, Schafe - und wunderbare Ruhe zum Seelebaumelnlassen. Nach einem ausgiebigen Spaziergang ohne Massen von Feiertagstouristen - wie man sie bei solchen Gelegenheiten z.B. im ebenfalls wunderschönen Blankenese trifft - hatten wir eine leckere Brotzeit in einem Hofcafe, irgendwo in einem der verschwiegenen Marschdörfer. Dort standen ein paar Holzstühle und -tische im Bauerngarten und wir ließen es uns gut gehen. Wie nett ist das, in einer Gegend zu leben, wo andere Leute Geheimtipp-Urlaub machen!
Besonders schön ist unsere derzeitige Möglichkeit zur Anreise. Der Gatte fährt einen Firmenwagen, der alle drei Jahre gewechselt wird. Anfang des Jahres war es so weit - und ein Cabrio liegt auch im Budjet. Da ich Ende des Jahres 50 werde, dachten wir so: Wenn nicht jetzt - wann dann? Für die nächsten drei Jahre sind wir also bei jeder sich bietenden Gelegenheit Freiluft-Fahrer. Und im Mai, wenn die Rapsfelder beginnen zu blühen, ist das echt der Kracher!
Nur unser Gastkind gruselt es derzeit noch bei der Vorstellung, ohne Dach Auto zu fahren. Während wir stolz sind über 20 Grad Anfang Mai, sitzt sie bei solchen Temperaturen am Liebsten im Haus. 20 Grad ist nämlich recht kalt für Jemand, der in der Regel 40 Grad gewöhnt ist. Wir sitzen ohne Socken auf der Terrasse - und Lydie kuschelt sich mit einer Decke aufs Sofa. Hoffentlich kommt sie gut durch ihren ersten Winter!
An den denken wir natürlich grad gar nicht - und wünschen uns noch viele Wochen Cabrio-Wetter!