Montag, 26. Mai 2014

VORURTEILE...

...die hatte ich! Aber so was von! Letzten Samstag war ich per Bahn in Ostfriesland unterwegs. Auf der Heimreise von einer wunderbaren Woche ganz allein auf Norderney. Auf Menschenansammlungen hatte ich nach der ruhigen Inselwoche so gar keinen Bock.
In Leer füllte sich mein bis dahin wunderbar einsamer Wagon mit einer zehnköpfigen Gruppe junger Männer auf Junggesellenabschiedstour. Die hatten zwei Kästen Bier dabei, mehrere Flaschen Schnaps und eine Ukulele. "Oh shit", dachte ich und vertiefte mich in meinen E-Reader. "Wann muss ich hier die Flucht ergreifen?" Der Gedanke kam, nachdem die Mannschaft den ersten versaut-verhunzten Song zur Ukulele gegrölt hatte.
Aber zum Glück waren die Jungs erst seit Meppen unterwegs und noch nicht besoffen. Ok - der zukünftige Bräutigam war angeschickert, weil er bei jedem verlorenen Quiz-Spiel ein Pinnchen leeren musste. Und seine Freunde hatten ihn gezwungen, eine sehr hässliche Zopfperücke zu tragen. Aber besoffen - wie gesagt - war Keiner. Irgendwann brachten die Jungs mich mit einem coolen Scherz echt zum Lachen. Und ab da hatten wir dann noch nette 80 Minuten bis Bremen. Ich durfte mir Lieder wünschen - egal welche - weil der Knabe mit der Ukulele ein echt begabter Musiker ist, der einfach fast alles spielen kann. Und ein paar der Jungs sangen so schön, dass mir der Verdacht kam, sie hätten schon mal in einem Kirchenchor gesungen. Mit dem angehenden Bräutigam hatte ich sogar ein echt an die Nieren gehendes Gespräch über Leben und Tod. Er hatte mal die Diagnose "Krebs" gehabt.
Kurzum - die Zeit in der Bimmelbahn bis Bremen flog nur so dahin. Und alle diese jungen Männer haben mich sehr respektvoll behandelt. Die hatten echt Stil! Glaubt man aber erst mal nicht, wenn so eine auf Feiern geeichte Meute den Zug stürmt.
Ich freue mich jedenfalls, dass ich nicht meinem ersten Impuls gefolgt bin und spontan die Flucht ergriffen habe! Obwohl ich diese Junggesellenabschiede eigentlich "ASI" finde. Tatsächlich aber scheint es ganz normale, nette Menschen zu geben, die meinen, sowas gehört heute zum Heiraten dazu. Und wenn sie dabei nett, freundlich und höflich bleiben ist auch nix dagegen einzuwenden, wenn sie mal in absonderlichen Outfits einfach Spaß haben und feiern!