Dienstag, 23. Juni 2015

Eine Familie, die Spaß zusammen hat...

...wenig scheint mir besser.
Letztes Wochenende trafen wir uns zu 13 Familienmitgliedern an einem wunderbaren Ort:
www.hof-hubbermann.com

Der Gatte und ich waren die Stammes-Oberhäupter über 50. Wir haben jeder einen Bruder, der bald 50 wird. Einer war mit Familie dabei - der Ehefrau und zwei Kids zwischen 5 und 11. Der andere Bruder brachte seine Lebensgefährtin mit, die auch schon seit fünf Jahren zur Familie gehört. Unsere drei Kinder zwischen 25 und 29 waren dabei - eine Tochter mit Ehemann, die andere mit Freund. Eine große Altersspanne also. Das machte aber nix!
Alle von uns genießen wunderschöne Natur. Und die gibt es reichlich um den Hof. Wir waren aufgeteilt auf zwei FeWos am See und zwei Häuser im Wald - alles so drei Minuten Fußweg auseinander.
Gefeiert haben wir in und vor der Hütte am See - so richtig mit lauter Partymusik und keinen hat's gestört. Wir singen und tanzen halt alle gerne - quer durch die Generationsunterschiede.
Ein weiteres Highlight waren die beiden Frühstücke für alle, die Frau Hubbermann in ihrem Bauernhaus zelebriert hat. Die waren reichlich und lecker - und es ist echt entspannend, wenn man als Gruppe nicht auch noch die Frühstückszutaten ankarren muss.
Gefunden haben wir diesen genialen Treff im Internet. Wir waren auf der Suche nach einer Location, die vom Ruhrpott, dem Sauerland und Schleswig Holstein jeweils ungefähr gleich weit entfernt ist.
Falls wir alles anständig hinterlassen haben - dann wird das vielleicht nicht das letzte Familientreffen in Visbek gewesen sein.  

Mittwoch, 17. Juni 2015

Sterbebegleitung

Diese Erinnerungen von mir sind im "lebenslust"-Special "Gute Besserung" neulich erschienen.

„Herzliches Beileid noch mal“, sagte die Nachtschwester zu mir, nachdem sie meinen Papa, der gerade für immer eingeschlafen war, frisch und sauber gemacht hatte. Dabei drückte sie mir herzlich die Hand und fügte hinzu: „Danke, dass sie die letzten Tage bei Ihrem Vater geschlafen haben. Sie haben uns sehr entlastet. Er war ja ein  schwieriger Patient.“
Na! Das hatte die Gute sehr höflich ausgedrückt! Mein heißgeliebter Papa war ein Albtraum von Patient gewesen! Dabei war er bis zum Endstadium seiner Krebserkrankung ein wirklich charmanter Herr in den Siebzigern. Gerade mit Krankenschwestern hatte er es gut gekonnt. Während zahlreicher Krankenhausaufenthalte meiner Mutter hatte er mit Legionen von ihnen fröhlich geschäkert und ihnen ein Lächeln auf ihre Lippen gezaubert. Lächelnde Krankenschwestern und Pfleger suchte ich vergeblich, als ich vorübergehend meine Zelte in Schleswig Holstein abgebrochen hatte, um ihm im Sauerland beizustehen. Seine Leber hatte begonnen zu versagen. Als ich das zweite Bett in seinem Privatzimmer bezog, konnte er seines schon nicht mehr verlassen.
So sehr sein Körper auch zusehends verfiel – sein Kopf war bis zum Schluss ganz klar. Und er wusste genau, was er wollte. Und auch, was er nicht wollte. Nachdem ich einen halben Tag bei Papa verbracht hatte, wurde mir klar, welchen Streifen das bedauernswerte Pflegepersonal schon sechs Tage lang mit gemacht hatte. Der rechte Daumen meines Vaters funktionierte noch ganz hervorragend und betätigte ständig den Klingelknopf. War das Fenster zu, musste es geöffnet werden, stand es offen, musste es unbedingt zu. Sein Wasser war alle, er wollte eine Schmerztablette, einen Kaffee - und immer wieder erwartete er eine Tasse Brühe. Er „erwartete“ – genau das war das Problem. Da kam kein „Bitte“ oder „Danke“ – er behandelte Schwestern und Pfleger wie Bedienstete. In seiner letzten, schweren Krankheitsphase war sein Charme verschwunden und er benahm sich wie ein Gutsherr aus alten Zeiten. Klar – so einen Hauch davon hatte er immer schon an sich gehabt. Es kam ja nicht von ungefähr, dass auf meiner Hochzeit ein Gedicht über den Brautvater die Überschrift trug: „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Sauerland“. Aber früher war dieses Gehabe freundlich gewesen – das eines großzügigen Gutsherren. Nun war es ins Herrische umgeschwenkt. Paps behandelte das Krankenhauspersonal wie Leibeigene.  Darauf hatte das Personal verständlicherweise so gar keinen Bock und entsprechend schlecht war die Stimmung, als ich ins Krankenhaus einzog.
Ich entwickelte ungeahnte Fähigkeiten. Ich war nie gut im Schmeicheln, aber entdeckte plötzlich, wie gut ich „Süßholz raspeln“ kann, wenn es unbedingt sein muss. Ich bedankte mich im Namen meines Papas wirklich für „Furz und Feuerstein“ – für jede noch so normale Handreichung, die man im Krankenhaus erwarten kann. Und ich wurde zur Erzieherin meines Vaters. Hier kam es uns zu Gute, dass wir eine richtig gute Vater-Tochter-Liebesbeziehung gepflegt haben. Wenn man einen sterbenden Elternteil begleitet, ist wohl nichts besser, als eine heile Beziehung. Da gibt es keine Altlasten aufzuarbeiten, man muss auch nicht vorsichtig Worte abwägen, weil einfach klar ist: Wir haben uns lieb und nichts steht zwischen uns. Und so konnte ich meinen Papa in seinem herrischen Gehabe ironisch parodieren – und er hat es nicht krumm genommen. Er hat sich ehrlich bemüht sich zu bessern und lernte tatsächlich in seinen letzten Tagen noch ordentlich „bitte“ und „danke“ zu sagen.
In dem allerdings, was er nicht wollte, ist er sich treu geblieben. Er wollte nicht umgelagert werden. Das wäre echt nötig gewesen, weil er anfing, sich wund zu liegen. Aber Papa hat Zeit seines Lebens nur auf dem Rücken geschlafen. Er hatte nicht die Absicht, das in seinen letzten Lebenstagen zu ändern. Hier konnte ich die Schwestern überzeugen, ihm einfach seine Würde der Selbstbestimmung zu lassen. Papa wollte auch nicht in eine Flasche pinkeln, die von fremden Frauen gehalten wurde. Die Lösung war dann einfach. Ich war ja da – und ich durfte die Flasche für ihn halten.
Nachdem mein Papa dann friedlich eingeschlafen war – mit seiner Hand in meiner – und die Nachtschwester ihn „schön“ gemacht hatte, sagte sie noch was zu mir: „Diese vollen Haare Ihres Vaters! Und auch sonst! Er war ja wirklich ein attraktiver Mann!“ Ha! Das hatten Legionen von Krankenschwestern schon vor ihr festgestellt!