Dienstag, 8. Februar 2011

Wenn Beton zu meinem Herzen redet...

...dann bin ich mitten in Berlin. So wie am vergangenen Wochenende. Das war ein Weihnachtsgschenk meines lieben Mannes - weil er weiß, wie sehr ich diese Stadt schon seit meiner Kindheit mag.
Von allen netten Erlebnissen will ich gar nicht erzählen - iss privat.
Zum ersten Mal waren wir am "Denkmal für die ermordeten Juden Europas". Und das ist nicht privat. Das ist sehr öffentlich, in unmittelbarer Nähe des Brandenburger Tors. Der Architekt Peter Eisenmann hat auf einem riesigen Platz 2711 große Betonstelen aufstellen lassen. Alle scheinen die gleiche Fläche zu haben, sind aber unterschiedlich hoch. Sie sind in Reihe und Glied angeordnet, die Besucher können zwischen diesen dunkelgrauen Blöcken beliebig hindurchlaufen.
Ganz groß finde ich, dass es für dieses Denkmal keine Interpretationshilfen gibt. Es gibt nur den unterirdisch angelegten Ort der Information. Dort gibt es gesammelte Fakten über die Opfer, die Orte der Vernichtung und heutige Gedenkstätten. Gerade diese nüchternen, unkommentierten Tatsachen machen das Grauen deutlich, dokumentieren unbestechlich, was Menschen anderen Menschen antun können.
Das überirdische Stelenfeld spricht nicht den Kopf an, sondern den Bauch oder das Herz. Deshalb wird jeder Mensch eine andere Botschaft dort empfangen.

Für mich wurde Folgendes wichtig:
Am Rande des Feldes sind die Steinblöcke sehr niedrig. Sie scheinen harmlos, könnten an einem schönen Sommertag dazu verführen, auf ihnen Platz zu nehmen - sie sind dann von der Sonne angenehm aufgeheizt - um ein Picknick zu veranstalten. Je weiter man aber in das Herz dieses Steinfeldes vordringt, um so höher werden unmerklich die Stelen. In der Mitte überragen sie einen Menschen um mehr als das Doppelte. Dort - im Kern - fühlt es sich einfach nur bedrohlich an.
Ich denke, so ähnlich wird sich auch die Judenverfolgung im Nazi-Deutschland entwickelt haben. Am Anfang schien die Bedrohung lächerlich klein. Auch viele Nichtjuden konnten nicht einschätzen, dass sich da kein harmloser Sturm im Wasserglas entwickelt. Viele Juden haben den Zeitpunkt der Auswanderung so verpasst. Und irgendwann schlug das Grauen über ihnen zusammen. Ein Grauen, das in einer akkuraten Ordnung vorangetrieben wurde. Nach einem Muster - oder Raster - so wie dieses Werk es wieder spiegelt.

Was auch immer dieses Denkmal einzelnen Besuchern sagt - unvergessen für alle sollten folgende Worte von Primo Levi sein:
"Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen. Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben."

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Deine Eindrücke des Denkmals finde ich Klasse beobachtet, liebe Annekatrin! Wenn man das Bild des Stelenfeldes von oben betrachtet, sieht man, dass die Stelen nicht nur unterschiedlich hoch sind, sondern auch in einem Wellenmuster angeordnet sind. Dadurch wird das Zitat von Primo Levi "... folglich kann es wieder geschehen.." noch verstärkt; die nächste Welle ist schon im Anrollen.

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Lieber Max,

nomalerweise kenne ich meine Kommentatoren. Kenne ich dich auch?

Vielen Dank für den Blick von oben auf das Denkmal. Manchmal ist es wichtig, nicht nur den eigenen Blickwinkel zu kennen.

Anonym hat gesagt…

Yes, you kennst:-)

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Hans D. ? Bist du's? Der jagende Holländer?
Falls nicht: Magst du unser "Kennen" etwas näher erläutern? Bin neugierig.

Anonym hat gesagt…

Ich würde vorerst gerne noch eine Weile anonym bleiben. Ich hoffe, deine Neugierde wird nicht zu stark strapaziert :-)

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Das ist schon ok. Geheimnisse sind durchaus reizvoll.
Falls du meine verrückte Lieblingscousine bist, muss ich das z.B. gar nicht so bald wissen.
Was mich aber interessiert: Hast du dir das Ziel gesetzt, nie mehr als zehn Zeilen zu schreiben?
So was ist ja machbar wie ich gerade sehe...

eppendorfer hat gesagt…

Alle Achtung Max!
Es ist schon eine beachtliche Leistung 10 Zeilen zu schreiben. Manche schaffen es nicht mal, mehr als 10 Zeilen zu lesen-:-)

Annekatrin Warnke hat gesagt…

Moin Eppi-Do,

finde ich cool, dass du über meinen Blog versuchst, mit Max zu kommunizieren.
Allerdings glaube ich, dass diese Person eher selten zehn Zeilen schreibt.
Schätze, die Adresse heißt korrekt "max. ten lines" und meint: nicht mehr als zehn Zeilen schreiben.
Da du nicht mehr als Zeilen LIEST, würde "Max ten Lines" natürlich auch zu dir passen...