Dienstag, 11. Januar 2011

Zauberhaftes Kindertheater

Sonntagnachmittag waren der Gatte und ich mit unserem elfjährigen Patensohn im Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Eine Inszenierung von "Krabat" stand auf dem Programm. Zum Inhalt der Romanvorlage habe ich bereits im September 2010 gepostet - unter dem Titel "Ein bisschen Magier bin ich auch".

Ich war höchst gespannt wie es gelingen kann, ein 300 Seiten starkes Taschenbuch auf die Bühne zu bringen. Zumal die Geschichte auch davon lebt, ausgiebig an verschiedenen Orten zu spielen: Dort, wo Krabat in seinen Träumen zur Mühle gelockt wird; im düsteren Wald, der die Mühle umgibt; bei der Kirmes in einem Dorf; auf einem Friedhof und im Inneren der Mühle. Dort sogar abwechselnd in zwei Räumen: Dem Schlaf- und Arbeitsraum der Gesellen und dem Studierzimmer des bösen Zauberers.

Wenn einem die große Dreh- und Hebebühne eines Profitheaters zur Verfügung steht, dann kann man echt ne Menge machen! Alle wichtigen Orte waren zur richtigen Zeit präsent. Die Übergänge wurden fließend und logisch gestaltet. Dabei halfen dramatische Musik oder Donner und Blitz. Die Zuschauer froren mit Krabat während seiner einsamen Nachtwache auf einem Friedhof und schwitzten mit ihm bei der Arbeit am Mahlwerk der Mühle. Die Bühnenbilder waren echt gut gemacht!

Nun nützt die beste Bühnentechnik ja nichts bei schlechten Schauspielern. Aber natürlich hat das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg ein großartiges Ensemble. 16 Akteure hat das Theater für diese Inszenierung auf die Bühne gebracht. Die jeweils sieben Müllergesellen müssen bei Bedarf blitzschnell durch sieben Raben ersetzt werden. In den Rabenkostümen bleiben die Schauspieler völlig unkenntlich. Deshalb können sie die Bühne in den rabenlosen Szenen in diversen Nebenrollen beleben: Als Bauern, Dorfbewohner oder Tänzerinnen.

Der böse Müller unterrichtet seine Gesellen nur in schwarzer Magie, wenn sie in Gestalt von Raben in seinem Studierzimmer auf der Stange sitzen. Das gehört zu den vielen magischen Momente im Stück, die auf harte Arbeit der Schauspieler zurückzuführen sind. Sie mussten dazu im Zusammenspiel mit der sich bewegenden Bühne eine Art Choreografie entwickeln. Eben sieht man noch den verwirrten Krabat langsam die Treppe nach oben erklimmen – im nächsten Moment flattert er verstört als Rabe aus dem Kamin des Studierzimmers und gesellt sich zu den anderen sechs Vögeln auf die Stange.

Solche gut getimten Szenen gibt es viele. Einmal ist Krabat so genervt von einem petzenden Müllerburschen, dass er dessen Reisigbesen verzaubert. Da macht der Besen mit dem armen Kerl was er will. Tatsächlich scheint das Werkzeug ein Eigenleben zu führen und der Mensch wird zur Marionette. Dieser „Tanz“ war ganz großartig dargestellt. Auch gut einstudierte Kleinigkeiten entfalten große Wirkung:

Ein Bauer hält einen Strick in der Hand, an dem er ein so eben gekauftes Schwein nach Hause führen will. Dieses Tierkostüm ist übrigens genauso gut gelungen wie die Raben. Der Bauer zerrt also die arme Sau mit sich, der Weg führt hinter einem dicken Baum her. Dann taucht der Bauer wieder auf, er umklammert immer noch den gespannten Strick. Den hat jetzt aber einer der Müllerburschen um den Hals, der sich bloß in das Schwein verwandelt hatte. Natürlich ist das ein ganz simpler Trick. Aber das Ganze passiert so schnell und ist so gut trainiert, dass es wirklich wie Zauberei wirkt.

Fast die ganzen zwei Stunden ist die Bühne düster und dunkel. Dass das nicht zu bedrohlich wirkt, dafür sorgen einige ironisch-witzige Dialoge und das komödiantische Talent der Hauptdarsteller. Selbst der böse Zauberer verbreitet nicht nur Angst und Schrecken.

Am Ende ist es dann so, als ob die Schwärze zurückweicht und ein strahlendblauer Tag anbricht. Das wirkt nicht peinlich, weil der Effekt gut gemacht ist und die Darsteller sich zu einem spritzigen Schlusssong auf der Bühne versammeln. Da klatscht sogar das hanseatische Publikum locker den Takt mit. Regie führte Michael Bothe. Ich habe Lust, mir noch weitere Inszenierungen von ihm anzuschauen. Er hat ein Händchen für Theatermagie.

http://www.schauspielhaus.de/spielplan/detail.php?id_event_cluster=280928

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