Samstag, 25. September 2010

Ohne Senioren fehlt mir was

Und das sowohl für mich ganz alleine als auch in der Gemeinde. Ich brauche Senioren als Freunde, Ratgeber und Vorbilder.

Denn ob mir das nun gefällt oder nicht – mit 47 gehöre ich zu der Generation, die zur Zeit die größte Verantwortung trägt. Das ist in der Familie so, in der Gemeinde und in der Gesellschaft.

Wir werden nicht gefragt, ob wir diese Rolle übernehmen möchten und es gibt auch keine Schule, in der wir von Grund auf lernen könnten wie man das macht. Deshalb sind gute Kontakte zu Senioren für meine Generation überlebenswichtig.

Von unseren altgewordenen Freunden können wir lernen wie man die Verantwortung meistert. Sie standen vor denselben Herausforderungen wie wir heute und können uns Hilfestellung geben wie man so etwas bewältigt.

Viele von ihnen sind lebendige Beispiele dafür wie man trotz widriger Umstände zu gelassenen Persönlichkeiten reifen kann, die nachfolgenden Generationen ein gutes Erbe weitergeben.

Was mich persönlich immer wieder fasziniert: Senioren können gut ihre Lebensgeschichten erzählen. Und sie haben was zu erzählen! Sie haben noch erlebt, was für uns schon Historie ist.

Ab und zu besuche ich einen 83-jährigen Witwer. Der ist ein Gentleman der alten Schule. Bei ihm genieße ich immer wieder, was ich auch an Senioren schätze: Sie haben noch Stil und feine Lebensart. Der Kaffeetisch wird dort für mich mit dem „guten“ Porzellan gedeckt, es gibt frisch geschlagene Sahne und allerfeinsten Kuchen, Kerzen, Servietten – und ich werde wie eine Dame behandelt.

Eine meiner liebsten Freundinnen ist auch über 80. Das Zusammensein mit ihr macht mir Mut für mein eigenes Alter. Obwohl sie von diversen Zipperlein geplagt ist, ist sie im Geist herrlich frisch. Wenn wir zusammen lebhaft erzählen oder fröhlich kichern, merkt man keinen Altersunterschied. Von ihr lerne ich, dass Senioren meistens nur äußerlich älter werden. Innen drin fühlen sie nicht anders als wir.

Deshalb ist es ja auch so gut, sie um Rat zu bitten. Da fragt man jemand, der in der Regel nicht nur durch Lebenserfahrung gelassener geworden ist, sondern der einen auch noch versteht. Die meisten Irrungen, Wirrungen und Enttäuschungen haben sie selbst mal so oder ähnlich erfahren.

Senioren sind vor allem unser lebendes Bindeglied zur Vergangenheit, zu unseren Wurzeln. Das ist für mich gerade in der Gemeinde ganz wertvoll. Unsere Senioren sind das letzte Glied in einer langen Kette, die uns mit den biblischen Glaubensmüttern und –vätern verbindet. Durch sie ist der Segen Gottes an uns weitergegeben worden. Wenn sie nicht Licht und Salz für unsere Generation gewesen wären, wo wären wir dann heute?

Ja, ich meine das von ganzem Herzen so: Ohne Senioren fehlt mir was!



Sonntag, 19. September 2010

Die Hofnarren sind verschwunden...

...was ich sehr schade finde.
Besonders im frühen Mittelalter waren sie von den Königshöfen nicht wegzudenken, selbst bei manchen Päpsten standen Hofnarren in Lohn und Brot.
Ihre putzige Berufskleidung - vor allem die schrillen Narrenkappen wirkten dümmlich - täuschte darüber hinweg, dass man es mit sehr weisen Leuten zu tun hatte. Sie hatten einen scharfen Blick für Mißstände und Charakterschwächen und die Gabe, diese mit Witz, Hintersinn und einem gewissen Charme auf den Punkt zu bringen.
Wenn ein Herrscher auch sonst Niemandem erlaubte, ihm einen Spiegel vorzuhalten - sein Hofnarr durfte das, er hatte eben "Narrenfreiheit".
Das lag auch daran, dass der "Arbeitgeber" wusste: Mein Hofnarr ist kein Rebell. Er will mich nicht stürzen, sondern das System, zu dem er als "Angestellter" ja gehört, verbessern, sogar optimieren.

Ich finde, es ist eine gute Idee, den Beruf des Hofnarren für Kirchen und Gemeinden wieder aufleben zu lassen. Vielleicht könnte man Adrian Plass oder Torsten Hebel gewinnen, einige Kandidaten für diesen Job zu schulen.
Wir Frommen brauchen es ab und zu, mit frechen Spiegeln geschockt zu werden.

Im Moment fällt mir besonders häufig auf, dass wir Christen oft genau wie viele andere Menschen sehr darauf erpicht sind, mit unseren Bekanntschaften anzugeben. Das fängt in der Gemeinde an. Wer bei "Pastors" mal privat eingeladen ist, fühlt sich gebauchpinselt und aufgewertet. "Dr. Sowieso" oder "Unternehmer XY" sind ebenfalls Gemeindeleute, zu denen man gerne näheren Kontakt hat.
Auch über die Gemeinde hinaus ist es schick, zu einer gewissen frommen Elite zu gehören. Und es gibt christliche Veranstaltungen, die man nur mit persönlicher Einladung besuchen darf.
Hallo? Wie weit ist so was weg von unseren Wurzeln? Wie weit weg von Jesus, der sein Reich nicht mit einer Elitetruppe anfing zu bauen, sondern mit einem Haufen einfacher Jungs (und Mädels wohl auch)?
Ja - ich glaube, Hofnarren wären in unseren Gemeinden nicht arbeitlos...

Dienstag, 14. September 2010

Hamburg, meine Perle...

Ja, jetzt muss ich das doch mal loswerden. Wie gerne ich nur 20 Km von Hamburg City entfernt wohne. Es ist genial, in 35 Minuten mitten am Jungfernstieg sein zu können, wenn man das will.

Theater und so mochte ich ja immer schon. Seit einigen Jahren haben wir auch Lesungen als besonders vergnügliches Kulturevent entdeckt.
Am Sonntag hat John Irving die Hamburger Musikhalle gefüllt. Gut 1800 Menschen waren da - wegen einer Lesung! Dieser Mann hat es geschafft, den Autorenolymp zu besteigen.
Wenn man über viele Jahre seine Romane verschlungen hat - "Garp" gehört dazu oder "Gottes Werk und Teufels Beitrag" oder "Das Hotel New Hampshire" - dann ist es schon spannend, ihn das erste Mal live zu erleben. Es ist ja fast als träfe man eine Legende. Der 68-jährige ist allerdings eine sehr lebhafte Legende. Entspannt plaudernd saß er auf dem Sofa und hat viel von dem enthüllt, was ihn als Menschen ausmacht.
Seine Mutter war Souffleuse am Theater. Als Kind hat er oft hinter der Bühne warten müssen, bis die Mama mit der Arbeit fertig war. Dass er dabei nebenbei verstanden hat wie gute Dramen funktionieren, merkt man seinen unterhaltsamen, skurrilen, witzigen und traurigen Geschichten an. Auch Irvings literarischen Vorbilder sind keine Überraschung. Er steht auf die großen Erzähler des 19. Jahrhunderts - Charles Dickens zum Beipiel. Deshalb ist es auch so ein Vergnügen, seine Romane zu lesen.

Dienstag, 7. September 2010

"Ein bisschen Magier bin ich auch"...

...sagte Otfried Preußler 2008 in einem Focus-Interview kurz vor seinem 85. Geburtstag. Dazu wird ausdrücklich vermeldet, dass er geschmunzelt hat.
Zugegeben - er sagt in dem Zusammenhang auch etwas über Magie, was einem frommen Menschen nicht gefällt. Im gesamten Artikel sagt er aber viele kluge Sachen - bei denen er nicht geschmunzelt hat. Vielleicht fallen die ja mehr ins Gewicht? Hier der Link:

http://www.focus.de/kultur/kino_tv/tid-12513/kultur-ein-bisschen-magier-bin-ich-auch_aid_336449.html

Preußlers Aussage über Magie zum Anlass zu nehmen, seine wunderbaren Kinderbücher zu dämonisieren finde ich ätzend!
Räuber Hotzenplotz, Die kleine Hexe, Das kleine Gespenst - ich bin Jahrgang 62 und verbinde mit diesen Figuren vergnügliche Lesestunden in meiner Kindheit.
Das Jugendbuch "Krabat" hat viele Preise gewonnen - zu Recht wie ich finde. Ja- das Buch ist düster, bisweilen gruselig. Das sind Märchen auch. In einem Märchenerzählton ist das Buch geschrieben. Es geht um schwarze Magie, die eindeutig böse ist. Krabat, der jugendliche Held, lässt sich zunächst dazu verführen, er kostet die Macht, die damit verbunden ist, aus.
Dann erkennt er, dass er hilflos in den Fängen des Bösen verstrickt ist und nimmt den Kampf dagegen auf. Krabat weiß, dass er seine Macht verliert und wieder ein ganz normaler Junge wird, wenn er das Böse besiegt. Er ist bereit, den Preis zu zahlen.
Was ihm letztlich zum Sieg verhilft, ist nicht "weiße" Magie oder seine eigene Stärke, sondern ein ganz normales Mädchen, das ihn liebt. Sie ist bereit, ihr Leben für Krabat aufs Spiel zu setzen.

Ich weiß nicht, was an dieser Geschichte "böse" sein soll. Natürlich ist sie nicht von einem "Rechtgläubigen" geschrieben worden. Auch nichtfromme Menschen haben gute Ideale und Gedanken. Manche von ihnen wollen das Böse in der Welt beim Namen nennen und Hoffnung dagegen setzen. Was ist dagegen einzuwenden?
Mit diesem Märchen zeigt Preußler eindrücklich auf wie Verführung zum Bösen funktioniert und wie leicht man Teil eines scheußlichen Systems werden kann.
Ich finde es gut, wenn diese Geschichte im Deutschunterricht an weiterführenden Schulen behandelt wird.

Dienstag, 31. August 2010

Großes Kino beim Frisör um die Ecke

Hauptdarsteller: Der Gärtner, der kein Gärtner ist und ich

Heute morgen saß ich um 9.15 gut gelaunt beim Frisör. Endlich war mal wieder ein herrlicher Sonnentag und ich freute mich auf die Einwirkzeit meiner Tönung.
Die braucht so 40 Minuten, um ihre Wirkung zu entfalten. 40 Minuten, die ich plante, auf der Terrasse meines Frisörsalons in der Sonne zu verbringen.
Alles ließ sich prima an. Meine Lieblingsfriseuse stellte mir einen Stuhl in die Sonne, polsterte ihn mit weichen Kissen, schleppte ein Tischchen herbei, einen Kaffee und die aktuelle Gala. Herrlich! Ein Stück Ferien, mitten im Alltag.
So dachte ich, bis der Gärtner, der kein Gärtner ist, in seiner kleidsamen blauen Arbeitslatzhose mit Geschepper auf der Terrasse erschien. Das Geschepper kam von einem gasbetriebenen Flammenwerfer, den er hinter sich her zerrte. Der Mann musterte mich in meinem ebenfalls kleidsamen, schwarzen Frisierumhang. Ich glaube, ich sah aus wie eine Krähe mit Creme Fraiche auf dem Schädel.
Er startete die im weiteren Verlauf recht einseitige Konversation mit einem Mörderwitz:
"Klasse, beim Frisör in der Sonne zu sitzen. Da werden die Haare schön braun!" Manchmal kann ich schlagfertig sein, aber nicht, wenn ich einfach bloß in Ruhe eine Zeitschrift durchblättern will. Ich habe also irgendwas gegrummelt. Der Gärtner, der kein Gärtner ist, hat das als Aufforderung verstanden, mir aus seinem Leben zu erzählen. Dass er hier nur aus Hobby gärtnert, um der Chefin, die eine Freundin ist, einen Gefallen zu tun. Dass er eigentlich Oldtimer verkauft - aber nur an Leute, die zu den alten Autos passen. Dass er die Herzen der Maschinen kennt und sicher gehen muss, dass zu den neuen Besitzern Seelenverwandschaft besteht.
So ging das in einer Tour und es war dem Mann wirklich völlig egal, ob mich seine Geschichten interessierten oder nicht.
Irgendwann hat er sich dann mal wieder an seine Arbeit erinnert. Er schmiß den Flammenwerfer an und vernichtete das Unkraut zwischen den Steinplatten. Dabei zog er immer engere Kreise um mein so liebevoll hergerichtetes Plätzchen an der Sonne.
Kurz bevor er mir die Füße abfackelte, machte er seinen zweiten Mörderwitz: "Ich habe noch nie um eine Frau herum geflämmt."
Für einen winzigen Augenblick wurden wir dann doch zu einem Team. Wir schoben Tisch und Stuhl einfach dorthin, wo er schon emsig gearbeitet hatte. Dann klingelte sein Handy - und die letzten 15 Minuten in meiner Oase, die so richtig keine war, beschallte er mich noch indirekt.

Ich finde Nächstenliebe echt wichtig. Jesus hat sie uns geboten und ich sehe ein, dass das gut und sinnvoll ist. Aber manchmal ist es leichter, Nächste zu lieben, die weit weg sind.
Den Gärtner, der keiner ist, werde ich wohl frühestens nächste Woche lieben können. Falls ich ihn bis dahin nicht wieder sehe. Und falls die Begegnung mit ihm im Rückblick komischer und komischer erscheint. Ein bisschen grinsen muss ich jetzt schon!

Samstag, 28. August 2010

Blog-Kommentare machen Bloggern Spaß

Liebe Hinter- und Niederländer,
das war richtig nett mit dem Hin und Her, dem Ping und Pong zum letzten Post!
Vielleicht kriegen wir das öfter hin?
Ein Versuch: Heute mal kein Statement oder Bericht von mir, sondern eine Frage an euch.

Habt ihr euch schon mal von besten Freunden getrennt? Oder meint ihr, das tut man nicht?

Ich komme drauf, weil die "Brigitte" in einer ihrer letzten Ausgaben dieser Thematik einen ausführlichen Artikel gewidmet hat. Und ich darüber gestaunt habe. Ist Freundestreue eine Art Heiliger Gral in einer Zeit, die Treue zwischen Ehepartnern nicht besonders ernst nimmt?
Was meint ihr?

Herzlich: Kathi

Montag, 23. August 2010

Andere Länder, andere Sitten

Um die Wahrheit dieser Erkenntnis am eigenen Leib zu erfahren, muss man kein Weltenbummler werden. Es reicht, sich als deutsches Nordlicht gut 400 km Richtung Süden zu bewegen - ins hessische Hinterland.
Dieses Abenteuer gönnten der Gatte und ich uns am Wochenende. Bei lieben Freunden an der Lahn hatten wir die Gelegenheit, hautnah das Brauchtum des "Kartoffelbraten" zu erforschen. Um dieses Event zu zelebrieren ist ein "Bratplatz" Grundvorraussetzung. Unsere Freunde sind hessische Ureinwohner und haben so was im eigenen Garten. Der Bratplatz ist eine ziemlich große Feuerstelle mitten auf dem Rasen.
Kartoffelbraten beginnt morgens gegen 9.00. Dann wird Feuerholz in der Menge eines mittleren Wäldchens zu einer Art Riesenscheiterhaufen aufgerichtet. Alle angrenzenden Nachbarn schließen ihre Fenster, wohlwissend, dass diese die nächsten 16 Stunden nicht mehr geöffnet werden können. Denn das große Feuer brennt den ganzen Tag. Und wo viel Feuer ist, da ist auch viel Rauch...
Neben dem Bratplatz ist der Bratmeister unabdingbar für das Gelingen des faszinierenden Geschehens. In der Regel ist das ein kerniger Bursche, der unerschrocken großer Hitze dauerhaft trotzen kann. Er muss nämlich die anfallende Glut fürs Bratgut vorbereiten und ständig Holz nachlegen. Damit er dabei nicht innerlich austrocknet, ist es wichtig für ihn, sich mit Bierchen vom Faß feucht zu halten.
Regelmäßige Bierchen sind auch für die Gäste notwendig. Das deftige und reichliche Bratgut muss damit runtergespült werden. Gegen 11.00 gibts die erste Leberwust aus der Glut mit frischen Brötchen. Gegen 13.00 gibts die gebratenen Kartoffeln im Ganzen mit Schale, dazu diverse Salate. Damit das Feuer mal ein bisschen ungestört fackeln kann, isst man gegen 15.00 halt Kuchen. Und ca zwei Stunden später kommt dann der Hackbraten in die Glut, eingewickelt in Pergamentpapier und eine Zeitungsseite. Für den Geschmack des Bratens ist es enorm wichtig, dass man nicht irgendeine Zeitung nimmt. Nur der Hinterland-Anzeiger ist dafür gut genug.
Irgendwann, wenn es dunkel geworden ist, lässt man das Feuer ausbrennen und walzt gut gefüllt ins Bett.
Es macht immer Spaß, über den Tellerrand zu schauen und fremde Gebräuche zu erleben. Vom "Kartoffelbraten" kann man besonders viel mit nach Hause nehmen: Gut zwei Kilo mehr auf der Waage!