Dienstag, 24. April 2012

Der kleine Prinz

Dort heißt es irgendwo sinngemäß: Du bist ein Leben lang verantwortlich für die, die du dir vertraut gemacht hast.
Für Lydie werden wir nicht ein Leben lang verantwortlich sein - aber doch wohl für die nächsten Jahre. Auch wenn sie irgendwann selbstständig wohnt, braucht sie ja doch eine Familie, in der sie Weihnachten und so feiern kann. Das ist uns bewusst - und weil wir schon nach zehn Tagen so vertraut miteinander sind, ist das auch gar kein Problem.
Ein Problem ist für mich eher, dass ich Lydie in ihrer charmant-fröhlichen Art nicht einfach nur genießen kann. Meine Aufgabe ist es, sie auch ein bisschen zu erziehen und auf das Leben in Deutschland vorzubereiten.
Das fällt mir nicht leicht. Am Liebsten würde ich einfach nur ihre Freundin sein. Ihre Begeisterung ist zu schön, wenn ich einen zweiten Schlafanzug mit ihr shoppe, weil sie nur einen hat. Oder wenn ich ihr einen von meinen Armbanduhren schenke, weil sie keine hat. Oder wenn ich ihr ein Paar feste, Europa-taugliche Schuhe kaufe.
Aber ich muss sie auch darauf vorbereiten, wie teuer das Leben in Deutschland ist. Deshalb muss ich sie manche Sachen selbst bezahlen lassen, obwohl ich ihr auch die schenken könnte.
Ich muss ihr feste Zeiten angeben, an denen sie ihr Bad putzen muss. (Obwohl es schneller ginge, ich machte das selbst. :-) ) Und ich muss die Balance finden, um ihr einerseits "chillen" zu gönnen - sie liebt es, auf dem "Chefplatz" meines Gatten zu residieren und TV zu gucken - und sie andererseits anzutreiben, mit mir alle Behördengänge zu erledigen, sich zum Deutschkurs anzumelden, zu lernen.
Lydie ist mit einer großen Last auf ihren jungen Schultern hier eingereist. Sie soll der Hoffnungsträger sein, damit es ihrer Familie in Kamerun in Zukunft besser geht. Das ist zu viel für eine knapp Neunzehnjährige. Aber es ist ihre Aufgabe. Ich möchte ihr die versüßen und muss trotzdem darauf achten, dass sie nicht abhängig von uns wird. Den schweren Weg durch das Studium muss sie dann ja ganz alleine schaffen.
"Vertraute" Menschen sind was Wunderbares. Aber weil solche Beziehungen auch Verantwortung bedeuten, sind sie es wert, dass man sie nicht einfach nur genießt, sondern sich viele Gedanken macht.

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