Sonntag, 22. Dezember 2013

Maria im Advent

Maria, zwei Tage vor Heilig Abend. Noch ist sie hochschwanger mit ihrem Josef unterwegs. Die Beiden wissen: Zwei Tage brauchen wir noch bis Bethlehem. Sie haben gerade ihr Nachtlager auf freiem Feld aufgeschlagen. Josef ist mit dem Esel unterwegs, um frische Ziegenmilch zu besorgen.

Maria:
(Steht vom Boden auf, hält sich stöhnend ihren Bauch, spricht zu ihm: ) Ach Kindchen! Warum tust du mir so weh? Ich meine, du bist Gottes Sohn! Kannst du da nicht sanfter mit deiner Mutter umgehen? Oh Jesus! Hör auf, mich zu quälen! (zu sich: ) Jesus! Nicht mal den Namen für mein Kind durfte ich selbst aussuchen! Ich mag Daniel – oder Andreas. Aber Jesus? Der Engel hat einfach gesagt, dass es so ist: „Du sollst den Sohn Gottes, der in dir heranwächst,  Jesus nennen.“ Noch nicht mal da hat der Höchste mich nach meiner Meinung gefragt! – Aua! Hör auf, mich zu treten! – Ja gut. Warum sollte der Höchste mich in Kleinigkeiten fragen, wenn er das Große Ganze sowieso bestimmt hat. „Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären“, hat der Engel zu mir gesagt. Einfach so.
Pfff! Von wegen „einfach so!“ Ja, ich weiß. Ich habe damals gesagt: „Ich gehöre dem Herrn. Es soll an mir geschehen wie du gesagt hast.“ – Was hätte ich sonst sagen sollen? Da kam ein Engel zu mir! Natürlich habe ich mich geehrt gefühlt. Aber ich hatte damals keine Ahnung, was diese Ehre für mich bedeutet. Ich war ein kleines Mädchen, das keine Ahnung vom Leben hat! – (kichert) Ok, das ist erst neun Monate her. Eigentlich bin ich immer noch 15 und immer noch ein kleines Mädchen. (Hält sich den Bauch, stöhnt) Aber meine heile Welt gibt es nicht mehr.
Das war so ätzend, als mich alle in Nazareth für eine Hure gehalten haben. „Sie ist schwanger und nicht verheiratet! Man sollte sie steinigen!“ – Ich habe richtig Angst gehabt, dass sie das wirklich tun. Noch nicht mal Mutter und Vater haben mir meine Geschichte geglaubt! – Au! Was zieht denn da so in mir drin! Ach Jesus, Kind, ich liebe dich! Aber kannst du es mir nicht leichter machen? Warum muss ich dieselben Schmerzen haben wie alle anderen Frauen auch? – Und Josef hat mir erst auch nicht geglaubt. Er wollte sich von mir trennen. Hatte gedacht, ich hätte ihn betrogen. Das war das Schlimmste! Meinen geliebten Josef so traurig und verzweifelt zu sehen. – Dann hat der Höchste eingegriffen. Er hat seinen Engel auch zu Josef geschickt – im Traum. Da wusste mein Geliebter, dass ich nicht gelogen habe. Großer Gott –dafür danke ich dir von Herzen! –
Aber warum lässt du mich jetzt allein? Wo ist dein Engel, wenn man ihn mal ganz praktisch braucht? Ich friere so. Ich habe Schmerzen. Und ich habe Angst. Warum kommt Josef nicht zurück? Bitte, beschütze ihn und bring ihn heil wieder zu mir! Er ist so lieb zu mir! „Ich habe Lust auf frische Ziegenmilch“, hatte ich vorhin gesagt. „Die besorge ich dir, Liebste“, hat er geantwortet. Und dann ist er los mit dem Esel. „Es gibt Hirten hier in der Gegend. Und ich werde sie für dich finden“, mit diesen Worten ist er los gezogen. Warum nur habe ich die gleichen plötzlichen Gelüste wie alle anderen Schwangeren auch? Gott, hättest du mich nicht besonders machen können? Wo ich schon so eine besondere Last zu tragen habe? –
Oh Jesus! Ich glaube, du willst ganz bald zur Welt kommen! Bitte nicht hier auf dem freien Feld! Bitte lass dir Zeit, bis wir in Bethlehem sind! Dort werde ich sicher eine Herberge finden – und eine Hebamme!
Obwohl – so viele Leute haben uns unterwegs überholt! Sie waren viel schneller als wir unterwegs. Was ist, wenn alle Herbergen voll sind? – Süßer Jesus! Ich habe Angst, dass ich dich auf freiem Feld zur Welt bringen muss. Und ganz allein. Josef ist lieb und gut – aber er ist keine Hebamme. – Ach Gott, wo ist ein Engel, wenn man ihn mal ganz praktisch braucht? (Sie legt sich verzweifelt wieder auf den Boden.) 
  


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