Fromme Leser kennen vermutlich den Druck: Wie soll ich als Christ im Alltag positive Impulse geben? Ich habe keine Stimme, ich habe keine Bedeutung, ich habe meine Fehler, ich habe meine Sünden...SO kann ich doch nix bewirken!
Das Geheimnis ist: ICH muss auch nix bewirken! Es geht darum, das Wenige, was ich zu bringen habe, vertrauensvoll und ehrlich zu geben. Gott ist der, welcher Wunder wirkt, nicht ich. ER kann aus Wasser Wein machen, ER kann mit fünf Broten und zwei Fischen 5000 Menschen satt machen.
Wie entspannend ist das denn! Jesus ist für die Wirkung zuständig, nicht ich. Und: ER ist auch für das "wann" der Wirkung zuständig.
Ein Beispiel aus meinem Alltag: Vor ca. zwei Jahren habe ich beschlossen, einen Teil meiner freien Zeit nicht meiner Gemeinde ehrenamtlich zur Verfügung zu stellen, sondern der Stadt. Seither arbeite ich für die örtliche "Tafel". Jeden Dienstag entlade ich die Sprinter von der Ware, baue die Lebensmittel im "Verkaufsraum" auf und bediene anschließend die "Kunden". Das alles natürlich im Team. In den ersten Monaten ergab sich keine Chance, mich bei den Kolleginnen als Christ zu outen. Ok - ich hätte mich natürlich in der ein oder anderen Pause auf einen Stuhl stellen und predigen können. Aber so was entspricht nicht meiner Natur.
Ich habe einfach fröhlich meinen Dienst gemacht, "small getalked", interessiert zugehört. Nach einem guten halben Jahr dann zum ersten Mal die Frage: "Wieso kennst du einige von den Flüchtlingen so gut?" Das war dann die Chance, von meiner Freikirche zu erzählen, die eine gute Flüchtlingsarbeit macht, wo ich auch mitarbeite.
Noch mal vier Monate später dann das erste vertrauliche Gespräch mit einer Kollegin, die persönliche Probleme hat.
Und gestern sagt eine andere Kollegin zu mir: "Du gibst hier jeden Dienstag so viel Liebe - deshalb bekommst du die von uns auch zurück." Wow! Ich habe keine Ahnung, woran sie das festgemacht hat. Ich bin weder der Umarmungstyp, noch eine Frau, die von liebevollen Worten übersprudelt. Ich sehe mich eher als nüchtern, manchmal entfährt mir gar eine ironische Spitze. Und trotzdem scheint rüber zu kommen, dass ich Kolleginnen und Kunden mag, die mir bei der Tafel begegnen. Das ist eben das Geheimnis der "Brotvermehrung". Gott kann Menschen "satt" machen mit dem winzigen, unvollkommenen Bisschen, das ich ehrlich in mir habe.
Das mal so als Ermutigung für alle, die meinen, sie wären nicht genug. Gib, was du du kannst - für die Fülle sorgt Gott.
Mittwoch, 23. März 2016
Dienstag, 1. März 2016
Ahab, Isebel und die Flüchtlingsfrage
(Auszug aus meiner Predigt. Es hilft, 1. Könige, Kapitel 21 dazu zu lesen)
Ahab symbolisiert für mich Deutschland – besonders meine Generation und die
Nachfolger.
Wir leben in unserem Land wie in einem schönen Palast.
Genau wie Ahab haben wir den nicht verdient, bloß geerbt.
Zum ersten Mal wurde mir meine unverdiente glückliche Geburt an richtiger
Stelle viele Jahre vor dem Mauerfall deutlich.
Meine Eltern waren mit einem Ehepaar befreundet, das in Karl-Marx-Stadt
lebte. (Heute Chemnitz). Wir haben diese Freunde ab und an besucht.
Was immer nervenaufreibend war wegen der strengen Kontrollen an der
innerdeutschen Grenze.
Das Ehepaar hatte fünf Kinder, rund um mein Alter verteilt.
Ich mochte die ganze Familie gut leiden – auch wegen des besonderen
sächsischen Humors, dem Sinn für Ironie.
Ich habe mich mit 18 schon gefragt: Warum darf ich auf der „freien“ Seite
der Mauer leben? Womit habe ich das verdient? Es hätte auch alles ganz anders
kommen können…
Ahab würde sich sowas nie fragen.
Ahab nimmt seine unverdienten Privilegien als selbstverständlich.
Ahab regt sich nur dann, wenn er Angst hat, dass ihm etwas vorenthalten
oder weg genommen wird.
So, wie sich in unserem Land angesichts der Flüchtlingskrise auch negative
Stimmen regen. Am geläufigsten ist wohl diese Anklage: Die Flüchtlinge haben
alle Smartphones!
Das ist genauso unmöglich wie Ahab mit seinem riesen Palast, den Gärten
drumrum und dem Komfort. Er schielte auf den vergleichsweise sehr armen Nabot
und sagte: Der hat einen Weinberg!
Für viele Flüchtlinge ist das Smartphone der einzige Gegenstand, den sie
mitnehmen konnten. Der einzige Gegenstand, der sie mit ihrer Familie, ihrer
Geschichte verbindet. Darüber halten sie Kontakt – so wie sich Nabot auch mit
seinen Ahnen durch den geerbten Familienbesitz verbunden wusste.
Auf dem Smartphone speichern sie Erinnerungen.
Ich habe zuhause vier große Regale voller Ringbücher. Das sind meine
Fotoalben. Erinnerungen an 53 Jahre,
festgehalten in besonderen Momenten. Wenn ich fliehen müsste – ich müsste das
alles zurück lassen. Ich wäre froh über jede Erinnerung, jedes Foto, das ich
auf meinem Smartphone gespeichert hätte.
Und da wollen wir ernsthaft her kommen und sagen: Die Flüchtlinge sind gar
nicht so bedürftig? Die haben alle Smartphones?
-
Das ist egozentrische Ahab-Denke.
Und von da ist der Schritt zur mörderischen Isebel-Denke und –Tat nicht
weit.
Beim Thema „Flüchtlinge“ will ich bestimmt nicht einer blauäugigen
„Alles-wird-gut-Kultur“ das Wort reden. Es ist ein Problem – und es gibt keine
einfachen Lösungen.
Aber ich bin sicher: Als Christen sind wir aufgerufen, „pro Flüchtlinge“ zu
denken und zu handeln – und nicht gegen sie. Der Geist Gottes steht dem Geist
Isebels völlig entgegen. Gott sagte schon im AT sehr deutlich Folgendes:
„Unterdrückt nicht die Fremden, die in eurem Land leben, sondern behandelt
sie genau wie euresgleichen. Jeder von euch soll seinen fremden Mitbürger
lieben wie sich selbst. Denkt daran, dass auch ihr in Ägypten Fremde gewesen
seid. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (3. Mose 19.33-34)
Deutlicher geht’s doch gar nicht, oder?
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