Und deshalb kann ich meinen sehr persönlichen Artikel zum Thema "Dienen" nun auch hier veröffentlichen. Achtung! Ist mehr Text als normal hier, weil: Genau eine Zeitschriftenseite. Also bloß was für Leser mit Geduld. :-)
Die Gabe des Dienens ist mir nicht in die Wiege gelegt worden. Von Natur
aus bin ich ein bequemer Genussmensch. Der blieb ich lange, obwohl ich schon
als Kind an Gott glaubte, die Bibel für wahr hielt und froh war, dass ich -
dank Jesus – einmal im Himmel sein würde.
Alle diese Erkenntnisse haben mich nicht daran gehindert, auf dieser Erde
vor allem möglichst viel Spaß haben zu wollen.
Ich war Mitte zwanzig, verheiratet und junge Mutter, als ich erkannt habe,
dass christlicher Glaube mehr ist als das Fürwahrhalten biblischer Lehren. Eine
persönliche Beziehung zu Jesus entwickelte sich und ich beschäftigte mich
intensiv mit dem Thema „Nachfolge“.
Mir wurde klar: Für mich ist zuerst mal das „Dienen“ dran. Ich wollte
unbedingt anfangen, gehorsam zu sein. Daran ist auch nichts Schlechtes – es
besteht nur die Gefahr, dabei auf Belohnung zu schielen und vor Gott und den
Menschen als Musterschüler dastehen zu wollen.
Dieser Gefahr war ich leider erlegen. Bis sich der Wunsch entwickelte,
Jesus wirklich nachzufolgen, hatte ich mir meine engen Bekanntschaften danach
ausgesucht, was sie mir brachten, ob ich sie interessant fand und ob ich Spaß
mit ihnen hatte. Dann fand ich, dass sich da was ändern muss und vergaß, die
Zeit abzuwarten, bis Gott mich verändert hatte.
Ich wollte eine Art „Robin Hood“ werden für Leute, die am Rande stehen und
(obwohl ich das damals nie eingestanden hätte) mich gut dabei fühlen.
Es gab diese ältere Singlefrau in meiner damaligen Gemeinde. Sie hatte
einen Sack voller körperlicher und psychischer Probleme zu tragen. Ich
beschloss, ihr zu dienen, indem ich mich um sie kümmerte.
Im Rückblick sehe ich: Es war gut, Zeit mit ihr zu verbringen und ein
ehrlich offenes Ohr für sie zu haben. Wir haben auch viel Spaß miteinander
gehabt. Gar nicht gut war, dass ich es besonders richtig machen wollte und
deshalb meine Grenzen nicht abgesteckt habe. Meine liebe Schwester hatte ein
großes Bedürfnis nach körperlicher Nähe. Oft versank ich in ihren fast
erstickenden Umarmungen. Nun bin ich nicht der Umarmungstyp. Das hätte ich von
Anfang an klar stellen sollen. Aber wenn man sich in Dienste stürzt ohne einen
klaren Auftrag von Gott, dann geht das eben stellenweise daneben. Irgendwann
habe ich ihr dann doch gesagt, was ich in unserer Beziehung nicht möchte. Und natürlich
habe ich sie damit verletzt, weil das Grenze-Ziehen viel zu spät kam.
Seit damals sind gut 25 Jahre vergangen. Dienen ist- neben Studieren und
Feiern – immer noch mein Hauptthema in der Nachfolge. Aber die Motivation hat
sich geändert. Die ist nicht mehr, sich besondere „Sternchen“ bei Gott
verdienen zu wollen. Heute setze ich mich aus Dankbarkeit ein. Ich bin 49 Jahre
alt, seit mehr als 27 Jahren mit einem netten Mann verheiratet, wir haben drei
erwachsene Kinder, die uns mögen. Ich muss nicht arbeiten, um unseren
Lebensunterhalt mit zu finanzieren, bin gesund und verdiene freiberuflich mein
Taschengeld für Klamotten und Schuhe. Wenn
ich nicht gerne die Zeit investiere, um für andere da zu sein, wer wohl
dann?
Verändert hat sich, dass ich die Dienste nicht krampfhaft selbst aussuche.
Ich erlebe Gott als einen gnädigen Chef. Meine regelmäßigen Dienste in meiner
Gemeinde sind so vielfältig, dass keine Langeweile aufkommt. Besuchsdienst, Theaterarbeit,
alle sechs Wochen Gemeindeklos putzen und ab und an Gottesdienstleitung – wer
hat schon so einen abwechselungsreichen Arbeitsplatz?
Meine größte Stärke ist – trotz meines übereifrigen Patzers vor 25 Jahren –
das Dienen an einzelnen Menschen. Die wähle ich aber nicht mehr eigenmächtig
aus. Sie werden mir in den Weg gestellt, manchmal für nur ein Gespräch und
manchmal für Jahre.
Ich erlebe, wie Gott mich in diesen „Dienstbeziehungen“ beschenkt. Aus
Menschen, für die ich da bin, werden oft Freunde, die für mich da sind. Das ist
nicht selbstverständlich. Diese Entwicklung kann nur geschehen, wenn ich
innerlich nicht überheblich bin. Tatsächlich gibt es ja eine Art „dienende
Hochmut“. Die sieht ungefähr so aus: Diese Person braucht mich. Sie kriegt ohne
mich nichts auf die Reihe! Sie ist die Schwache, ich bin die Starke, sie ist
die Kleine, ich bin die Große. Mit so einer Haltung werden die „Bedienten“ ein
Mittel zum Zweck der eigenen Wichtigkeit. Abhängigkeiten können entstehen, die
ein ganzes Leben nicht enden.
Hier möchte ich immer mehr von Jesus lernen. Er dient uns Menschen, weil er
uns liebt. Er möchte Schwache stärken, Kleine groß machen und überhaupt helfen,
dass die Menschen reifer und freier werden.
Heute finde ich es wunderbar, wenn ich Menschen helfen darf, auf die
eigenen Füße zu kommen. Dann können aus „Schülern“ Freunde werden, von denen
ich eine Menge lernen kann.
Dank meiner Natur als Genussmensch und meiner ersten schlechten Erfahrung
des Übereifers muss ich beim Dienen nicht aufpassen, dass ich nicht ausgenutzt
werde. Ich muss eher aufpassen, dass ich nicht nur das gebe, was mir genehm
erscheint. Denn das ist nicht der Sinn des Dienens. Der Sinn ist, freiwillig
für Andere etwas aufzugeben oder Nachteile in Kauf zu nehmen. An der richtigen
Balance aus den richtigen Motiven muss ich immer noch arbeiten. Geistliche
Übungen bedeuten eben: Üben.
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